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Angelika Petershagen, geb. von Lindequist (02.09.1909 - 19.12.1995)
Angelika Petershagen, geb. von Lindequist, wurde am 2. September 1909 in einer Offiziersfamilie
in Berlin geboren. «Meinen Vater kannte ich fast immer freundlich, oft voller Humor und stets
geneigt, sein «Katerchen», wie er mich nannte, auf den Schoß zu nehmen.... Bei meiner Mutter
mußte man eher auf der Hut sein, nicht unversehens die gute Laune durch eine Kleinigkeit zu
verderben». So erinnerte sich Angelika Petershagen in ihrer Autobiographie «Entscheidung für
Greifswald» an die Eltern. Die Zeit ihrer Einsegnung brachte sie in erste Konflikte. Bei ihrer
Konfirmation, die sie gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Olaf (Ulle genannt) als «ein(en)
Abwasch» erhielt, konnte sie noch keinen Funken christlicher Neigung in sich entdecken. «Doch ich hatte unterdessen gelernt, daß man hin und wieder im Leben ein Auge zudrücken mußte,
um zurechtzukommen und nicht ständig anzuecken.» Das Fest war für die Familie schön, denn das
gute Porzellan konnte präsentiert werden, die Konfirmandin aber dachte: «Wenn der Tag bloß
vorüber wäre». Angelika wollte Kindergärtnerin oder Sekretärin werden. «Eine Aufgabe haben,
wirklich gebraucht werden, stellte ich mir wunderbar vor.» Aber das wäre ja nach Aussage der
Mutter etwas für «Fräulein Müller» gewesen. Fräulein von Lindequist wurde Kunststudentin.
Im Frühjahr 1934 lernte sie über eine Einladung ihres Bruders den Kompaniechef Rudolf Petershagen
kennen, im Sommer jenen Jahres dachte sie zum ersten Mal ernsthaft an eine Heirat mit diesem
geistreichen, aber wortkargen Mann, der sie durch seine Warmherzigkeit überzeugt hatte.
Die kirchliche Trauung fand im Februar 1935 statt Dieses Mal genoß die Braut die Feierlichkeit
der Stunde. Sie wußte, daß diese Verbindung halten würde. Im Sommer 1937 wurde Greifswald die
Heimat für Angelika und Rudolf Petershagen. Hier wurde ihr Mann am 1. Januar 1944 Kommandant
der Stadt. Als ihr Peter, wie sie ihn liebevoll nannte, den Gedanken einer kampflosen Übergabe
von Greifswald an die Rote Armee aussprach, wirkte das auf sie «wie eine Befreiung aus einem
Irrenhaus». «Ach, Peter es wäre unsagbar schön, wenn dir das gelänge! Stell dir mal vor, welches
Glück für all die Menschen! Keine Angst, keine Toten, kein Weiterhetzen mehr, endlich ein heiles
Dach über dem Kopf» Sie gab ihm einen Kuß. Peter gab darauf zu bedenken:»....es ist ein völliger
Bruch mit unserer alten Welt». In den - auch für die Stadt Greifswald - so entscheidenden Stunden
und Tagen hielt Angelika Petershagen zu ihrem Mann: «Die guten Seiten meiner Erziehung trugen
ihre Früchte. Treue und Pflichterfüllung waren selbstverständlich, Feigheit die größte Sünde...«.
Der Einfluß ihres Vaters hatte sich wieder durchgesetzt. Am 1. Mai 1945 erhielt sie einen
Schutzbrief mit dem Greifswalder Stadtsiegel von Oberst Pawel M. Sineoki: «Angelika Petershagen,
Frau des ehemaligen Stadtkommandanten, wird hiermit bestätigt, daß ihr Mann, Oberst Petershagen,
die Stadt Greifswald der Roten Armee kampflos übergeben hat. Es wird darum gebeten, daß kein
Armeeangehöriger Frau Petershagen in ihrem Wohnrecht beschränkt oder in ihrer Wohnung irgendetwas
beschlagnahmt.» «Ich fragte mich selbst, warum ich eigentlich so sehr an Greifswald hing....
Meine Gefühle hatten nur zum geringen Teil mit Peters politischen Überlegungen zu tun, wenn sie
mir auch eine höchst willkommene Unterstützung waren. Die zehn Jahre, die ich damals in der Stadt
gelebt hatte, hätten in der Erinnerung versinken können, wie so vieles andere im Leben, aber
niemals die vier Monate, die Peter Kommandant von Greifswald gewesen war.»
Aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft schrieb Rudolf Petershagen am 17. September 1945 an seine
Frau auf einer Rot-Kreuz-Karte: "Liebe Gelika! Hoffentlich geht es Dir so gut wie mir!... Sei
sparsam + hart(!) wie die Zeiten!! Halte Garten + Viehzeug so wie bisher + bedenke, daß ich mal
plötzlich kontrollieren werde! Ob die Stadt mich schon vergessen hat? Auto + Fahrrad müssen
ersetzt werden. Kampfe für mein Recht! Von selbst geschieht nichts!... Alles Gute, herzliche
Grüße + stets Dein Peter.- Angelika kämpfte. Am 1. März 1949 wurde Frau Petershagen Mitglied der
NDPD (National Demokratischen Partei Deutschlands) und war für 12 Jahre (3 Legislaturperioden)
gewählte Stadtverordnete, eine Tätigkeit, die sie trotz anfänglicher Bedenken rückblickend nicht
missen wollte. Ihr Selbstbewußtsein stieg, denn ihre Arbeit wurde wohlwollend bewertet. An der
Autobiographie ihres Mannes «Gewissen in Aufruhr» hatte sie ebenfalls mitgearbeitet.
1961 erhielten Rudolf und Angelika Petershagen den Vaterländischen Verdienstorden der DDR in
Silber. «Am 23. April 1969 schloß mein Mann seine Augen für immer. Bei allem tiefen Schmerz und
nie versiegender Sehnsucht war ich mir klar, daß ich keinen Grund hatte, mit dem Schicksal zu
hadern. Millionen Frauen meiner Generation in ganz Europa hatten nach diesem von uns Deutschen
verschuldeten Krieg ihre Männer nie wieder gesehen, mußten ein qualvolles Ende für sie vermuten.
Welche Frau hatte gemeinsam mit ihrem Mann so tiefes inneres Glück empfinden können wie wir beide
nach der Rettung der Stadt, dem Verehrung und nach Jahren hohe Anerkennung folgten.»
In Gesprächen mit ehemaligen Wegbegleitern und -begleiterinnen wurde deutlich, daß Angelika
Petershagen ein Frau war, die wußte, was sie wollte und dabei manchmal unangenehm werden konnte. Über private Dinge sprach sie nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr. Angelika Petershagen verstarb
im Jahr 1995 und wurde neben ihrem Mann, der ein Ehrengrab der Stadt Greifswald erhalten hatte,
bestattet. Ihr Name ist dort nicht erwähnt.
Aus „Greifswalderinnen in Licht und Schatten“ v. A. Höfs, A. Sandmann, U. Boback-Askri, 2000
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